Neufassung des Auslandstätigkeitserlasses durch die Finanzverwaltung

Der so genannte Auslandstätigkeitserlass (ATE) enthält Sonderregelungen für die Freistellung des Arbeitslohns für bestimmte Auslandstätigkeiten in Ländern, mit denen kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht, um die deutsche Exportwirtschaft – insbesondere den Anlagenbau – zu fördern. Er ist kürzlich vom Bundesfinanzministerium (BMF) aktualisiert und in vielen Punkten an die heutige Rechtslage angepasst worden. Die Änderungen gelten ab dem Kalenderjahr 2023 beziehungsweise für Lohnzahlungszeiträume nach dem 31. Dezember 2022.

Bei einem Arbeitnehmer eines Arbeitgebers mit Sitz, Geschäftsleitung, Betriebsstätte oder einem ständigen Vertreter in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung findet (EU-/EWR-Arbeitgeber), wird von der Besteuerung des Arbeitslohns, den der Arbeitnehmer aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine begünstigte Tätigkeit im Ausland erhält, abgesehen.

Begünstigte und nicht begünstigte Tätigkeiten

Begünstigt ist die Auslandstätigkeit für einen EU-/EWR-Arbeitgeber im Zusammenhang mit

  • der Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen; außerdem ist das Betreiben der Anlagen bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt; nicht begünstigt sind insbesondere Sanierungs-, Restaurierungs-, Reinigungs- und Sicherungsarbeiten an Bauwerken ohne industrielle beziehungsweise technische Nutzung,
  • dem Einbau, der Aufstellung, der Instandsetzung oder Wartung sonstiger Wirtschaftsgüter; diese Wirtschaftsgüter müssen ausschließlich von EU-/EWR-Arbeitgebern hergestellt oder instandgesetzt beziehungsweise gewartet werden; zu den sonstigen Wirtschaftsgütern zählen auch Militärflugzeuge und -fahrzeuge,
  • dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen,
  • der Beratung ausländischer Auftraggeber oder Organisationen im Hinblick auf die vorgenannten Vorhaben.
  • der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der Technischen oder Finanziellen Zusammenarbeit, wenn eine Projektförderung unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Mitteln zu mindestens 75 Prozent vorliegt.

Nicht begünstigt sind insbesondere

  • die Tätigkeit des Bordpersonals auf Seeschiffen,
  • die Produktion von Schiffen im Ausland,
  • die finanzielle Beratung,
  • das Einholen von Aufträgen (Akquisition), ausgenommen die Beteiligung an Ausschreibungen sowie
  • die Tätigkeit im Bereich der humanitären Hilfe.

Dauer der begünstigten Tätigkeit

Die Auslandstätigkeit muss mindestens drei Monate ununterbrochen in Staaten ausgeübt werden, mit denen kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) besteht, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind.

Sie beginnt mit Antritt der Reise ins Ausland und endet mit der endgültigen Rückkehr ins Inland. Eine vorübergehende Rückkehr ins Inland oder ein kurzer Aufenthalt in einem Staat, mit dem ein DBA besteht, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind, gelten bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn vollen Kalendertagen innerhalb der Mindestfrist nicht als Unterbrechung der Auslandstätigkeit, wenn sie zur weiteren Durchführung oder Vorbereitung eines begünstigten Vorhabens notwendig sind. Dies gilt bei längeren Auslandstätigkeiten entsprechend für die jeweils letzten drei Monate.

Eine Unterbrechung der Tätigkeit im Falle eines Urlaubs oder einer Krankheit ist unschädlich, unabhängig davon, wo sich der Arbeitnehmer während der Unterbrechung aufhält. Zeiten der unschädlichen Unterbrechung sind bei der Dreimonatsfrist nicht mitzurechnen. Als unschädliche Unterbrechung gelten auch Freizeitblöcke (inklusive eingeschlossener arbeitsfreier Wochenenden und Feiertage) während einer begünstigten Auslandstätigkeit, wenn die Auslandstätigkeit insgesamt mindestens drei Monate in Staaten ausgeübt wird, mit denen kein DBA besteht, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind.

Begünstigter Arbeitslohn

Zum begünstigten Arbeitslohn gehören auch folgende steuerpflichtige Einnahmen, soweit sie für eine begünstigte Auslandstätigkeit gezahlt werden:

  • Zulagen, Prämien oder Zuschüsse des Arbeitgebers für Aufwendungen des Arbeitnehmers, die durch eine begünstigte Auslandstätigkeit veranlasst sind, oder die entsprechende unentgeltliche Ausstattung oder Bereitstellung durch den Arbeitgeber,
  • Weihnachtszuwendungen, Erfolgsprämien oder Tantiemen,
  • Arbeitslohn, der auf den Urlaub – einschließlich eines angemessenen Sonderurlaubs aufgrund einer begünstigten Tätigkeit – entfällt, Urlaubsgeld oder Zahlungen als Urlaubsabgeltung,
  • Lohnfortzahlungen aufgrund einer Erkrankung während einer begünstigten Auslandstätigkeit bis zur Wiederaufnahme dieser oder einer anderen begünstigten Tätigkeit oder bis zur endgültigen Rückkehr ins Inland.

Tipp: Werden solche Zuwendungen nicht gesondert für die begünstigte Tätigkeit geleistet, so sind sie aufzuteilen.

Für Aufwendungen, die mit dem begünstigten Arbeitslohn in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, gelten Abzugsverbote im Hinblick auf die damit verbundenen Ausgaben.

Progressionsvorbehalt

Auf das zu versteuernde Einkommen ist der Steuersatz anzuwenden, der sich unter Einbeziehung der nach diesem Schreiben begünstigten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ergibt.

Nichtanwendung

Die Steuerbegünstigung nach dem ATE gilt nicht, soweit

  • der Arbeitslohn unmittelbar oder mittelbar aus inländischen öffentlichen Kassen gezahlt wird oder
  • die Tätigkeit in einem Staat ausgeübt wird, mit dem ein DBA besteht, in das Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind, oder
  • der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn abzüglich der damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Werbungskosten) in dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer in einer durchschnittlichen Höhe von mindestens 10 Prozent unterliegen, und dass die auf die Einkünfte festgesetzte Steuer entrichtet wurde; zur Ermittlung der durchschnittlichen Steuerbelastung sind die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Tätigkeitsstaat nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln.

Beispiel zur Mindestbesteuerung: Der Angestellte eines international tätigen Unternehmens im Bereich des Anlagenbaus erhält für seinen zehnmonatigen Einsatz zur Inbetriebnahme einer Fabrik im Staat S (kein DBA mit Deutschland) ein Gehalt in Höhe von 110.000 Euro. Die nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelten Werbungskosten, die mit dieser begünstigten Tätigkeit in Zusammenhang stehen, betragen 10.000 Euro. Seinen Wohnsitz in Deutschland behält er bei. Auf das Gehalt zahlt er in S ausweislich des von ihm vorgelegten Steuerbescheides eine der deutschen Einkommensteuer entsprechende Steuer in Höhe von umgerechnet 9.000 Euro. Bezogen auf die Einkünfte von 100.000 Euro ergibt sich ein durchschnittlicher Steuersatz von 9 Prozent.

Lösung: Da der durchschnittliche Steuersatz unter 10 Prozent liegt, findet die Steuerbefreiung hier keine Anwendung. Die im Ausland gezahlte Steuer kann auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden.

Verfahrensvorschriften

Der Verzicht auf die Besteuerung im Steuerabzugsverfahren ist vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer beim Betriebsstättenfinanzamt zu beantragen (Freistellungsbescheinigung). Dabei ist glaubhaft zu machen, dass die nach deutschem Recht ermittelten Einkünfte im Tätigkeitsstaat voraussichtlich einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer unterliegen; der Nachweis über die Höhe der Besteuerung ist erst im Veranlagungsverfahren erforderlich.

Wurde glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen, so kann die Freistellungsbescheinigung erteilt werden, solange dem Arbeitgeber eine Änderung des Lohnsteuerabzugs möglich ist. Außerdem muss sich der Arbeitgeber verpflichten, das folgende Verfahren einzuhalten:

  • Der begünstigte Arbeitslohn ist im Lohnkonto gesondert aufzuzeichnen und in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung, gegebenenfalls der besonderen Lohnsteuerbescheinigung, sowie der Gehaltsbescheinigung, dem Entgeltnachweis etc. jeweils getrennt vom übrigen Arbeitslohn anzugeben.
  • Die Freistellungsbescheinigung ist als Beleg zum Lohnkonto des Arbeitnehmers zu nehmen.

Für Arbeitnehmer, die während des Kalenderjahrs begünstigten Arbeitslohn bezogen haben, darf der Arbeitgeber weder die Lohnsteuer nach dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn noch einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen.

Die abschließende Prüfung der Steuerfreistellung des Arbeitslohns erfolgt im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer. Soweit aufgrund der Freistellungsbescheinigung bereits im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens auf die Besteuerung verzichtet wurde, sind die Nachweise im Rahmen der Veranlagung zu erbringen. Soweit nicht bereits vom Steuerabzug abgesehen worden ist, hat der Arbeitnehmer den Verzicht auf die Besteuerung bei seinem Wohnsitzfinanzamt im Rahmen der Veranlagung zu beantragen. Der Antrag auf Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses ist spätestens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Steuerbescheids zu stellen.

Stand: 16.07.2023